Aus dem Louis Motorradtouren-Atlas die Tour Nummer 5 auf Seite 129
Günther, der Vespafex und ich, der Hondafex haben uns bei einem Kellerbesuch in Stierbarlimbach zu dem Entschluss durchgerungen, mit unsern Motorrollern eine Rundfahrt durch das Fichtelgebirge, die Steinpfalz und die Oberpfalz zu machen. Los ging es am Montag, dem 14. August 2023 um 8:23 Uhr nach einem leckeren Frühstück bei Günther in Gundelsheim/Ofr. der bereits am sehr frühen Morgen zum Bäcker seines Vertrauens gefahren war, um belegte Brötchen, Brezen und Laugenstangen zu besorgen.
Eine für uns noch unbekannte Gegend wird erkundet
Gleich geht‘s los – ich habe natürlich wieder – zuviel Zoigl dabei
Abseits von dicken, fetten Straßen fuhren wir auch kleine und schmalen Straßen, zuerst einmal die Serpentinen am Würgauer Berg, der glücklicherweise heute nicht für Motorradfahrer gesperrt war, in Richtung Kulmbach um nach Himmelkron zu gelangen.
Himmelkron ist der Standort der Himmelkroner Behindertenheime und liegt an der Autobahn A9 nach Berlin. Dort gibt es eine sehr sehenswerte, moderne Autobahnkirche, die wir besuchten. Vor der Kirche liegt ein Labyrinth, dass dem christlichen Labyrinth aus der Kathedrale von Chartres nachgebildet wurde.
Man soll Gott für alles danken, auch für einen Mittelfranken.
Das wunderschöne Altarbild aus der Autobahnkirche in Himmelkron
Bischofsgrün ist bereits für den morgigen Feiertag Maria Himmelfahrt geschmückt, obwohl die Mehrheit der Einwohner evangelisch sind.
Wir fuhren weiter Richtung Selb und kamen dann an einem Wegweiser zum „Waldstein“ vorbei. „Dou mäi merr hieh!“ war der eindeutige Beschluss. Wir kehrten um und fuhren so lange auf dem schmalen Strässchen, bis es dann beim Waldsteinhaus nicht mehr weiterging. Wir stellten unsere Roller auf dem großzügigen Parkplatz ab, legten unsere Motorradjacken in’s Topcase und wanderten über felsiges Gelände mit mächtigen, durch die Evolution abgeschliffenen Granitfelsen zum höchsten Punkt. Die „Schüssel“ liegt auf 877 m Höhe und ermöglicht einen Rundblick vom Allerfeinsten.
Weit kann man hier den Blick schweifen lassen
Wir fuhren weiter nach der Porzellanstadt Selb, die ebenfalls unter der Mittagshitze stöhnte. Wir verkniffen uns ein Eis, weil selbiges bekommen wir bestimmt bei unserer nächsten Station.
Nachdem wir in Selb durch die Fußgängerzone geschlendert waren, zog es uns weiter und wir haben bei Schirnding die Grenze zwischen Deutschland und der Tschechien problemlos überwinden können. Gott sei Dank gibt es keinen Stacheldraht mehr, wir pendeln flott auf der Dálnice E48 nach Eger, der Stadt im Karlovarský kraj (Region Karlsbad) in Böhmen, also im Egerland.
Interessant zu wissen ist, daß in Cheb (Eger) der Katholik Albrecht von Wallenstein, der aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht entstammte, 1634 ermordet wurde. Protestanten und Katholiken kämpfen damals um die politische und religiöse Vorherrschaft im Reich und in Europa: Der Dreißigjährige Krieg dezimierte die Bevölkerung und machte Deutschland zum Schlachtfeld.
Wir hatten einen schönen Parkplatz für unsere Roller gefunden und erklommen die kleine Anhöhe mit der Kathedrale und kurz hinter der Kirche war dann dieser wunderbar große Platz mit den prächtigen historischen Häusern zu finden. Ich habe mir noch bei „Linda“ eine Mütze für 69 Tschechische Kronen, das entspricht etwa 3 Euro gekauft, weil ich meine Mütze zu Hause liegen ließ. Wechselgeld gab es in Snickers.
Günther hat mich dann noch zu einem „zmrzlina“ und einen Mokka in die Eisdiele eingeladen. Wir sind anschließend noch zum Fluß hinunter spaziert und haben uns das Kulturzentrum Freiheit (Kulturni Centrim Svoboda) angesehen.
Nun geht es auf in die nördlichste Stadt der Oberpfalz, nach Waldsassen, es ist immerhin schon später Nachmittag. Wir stellen unsere Roller am Johannisplatz ab und besichtigen die Stiftsbasilika des Zisterzienserklosters Waldsassen. Nein, halt, ein Feld zurück – vorher ist unser Tourguide kurz rechts abgebogen und wir fahren bergauf bis die Wallfahrtskirche Kappl hinterm Wald sichtbar wird. Die Kirche war anläßlich des bevorstehenden Feiertages schon festlich geschmückt, so waren Kräutersträußchen an die Kirchenbänke hingebunden und leuchtend gelbe Sonnenblumensträuße in der Kirche verteilt.
Zur Wallfahrtskirche Kappl ließe sich bestimmt noch viel zu erzählen, doch das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.
Solche Geschenke nehmen wir gerne an, obwohl heute Montag ist – der etwas andere Sonntag
Die prächtig ausgestattete Basilika mit vielen Seitenaltären. Günther hatte auch noch eine Hutschenreuther-Sommergrippe entdeckt.
Wir sind dann zu unserem Tagesziel, nach „Floß“, das nicht mehr sehr weit entfernt war, gefahren und dort im Gasthof „Zum Weißen Rössl“ gelandet.
Unsere beiden Roller durften wir sogar in einer hauseigenen Garage unterbringen.
Das Gasthaus lag direkt an der Hauptstraße und wir wurden im ungeheizten, aber dennoch saunamäßig warmen Dachgeschoss untergebracht. Von den Wirtsleuten wurden wir liebevoll umsorgt und bekamen ein sehr leckeres Abendessen draussen im „Gassl“. Das Gassl ist eine schmale Gasse, die zum Biergarten umfunktioniert war. Da sieht man, was alles machbar ist.
Hier ist das komplette Kamera-Team am Ausgang der Wehrkirche Floß zu sehen
Ein Tipp von unserem Rössl-Wirt war, daß wir uns unbedingt noch die Bachgasse ansehen müssen und das haben wir dann auch getan. Die Floßer sind ganz stolz auf ihre Bachgasse und feiern deshalb auch das „Bochgassfest „.
2. Tag der Fichtelgebirge-Steinwald-Oberpfalz-Tour
Nach einer angenehmen, aber warmen Nacht haben wir den Frühstücksraum gestürmt. Ganz vorsichtig. Die Wirtsleute hatten ein wunderbares Büffet aufgebaut, mit allem was das Biker-Herz erfreut. Gemüse und Obst war da, Muesli, Käse und Wurst, Nutella, Saft und was es sonst noch für Begehrlichkeiten gibt. Vom Feinsten.
Nach dem Frühstück haben wir bezahlt und unsere Roller aus der Garage geholt. Um 9 Uhr öffnet in Flossenbürg die Gedenkstätte des Konzentrationslagers. Der Eintritt war kostenlos und gingen wir zuerst durch das großeTor des Gebäudes im Eingangsbereich.
Das Eingangsgebäude zur Gedenkstätte – Die SS-Kommandatur
Von einem großen Erker auf der gegenüberliegenden Seite konnten die SS-Wachmänner den gesamten, weiten Platz beobachten.
Die Befreier sind da – Soldaten der US-Army
Es gibt Bilder, da fehlen einfach dafür die Worte seine Emotionen zu artikulieren.
Die farbigen Punkte waren alles Konzentrationslager und Vernichtungslager – diese Brutalität und dieser Terror sind nicht zu fassen
Genau so wenig kann ich die Präzision und den Ordnungswahn dieser Unmenschen begreifen
Kirchenfenster in der Kirche der Gedenkstätte
Ich empfehle dem geneigten Leser unbedingt den Besuch der Gedenkstätte Flossenbürg und empfehle dafür, sehr viel Zeit mitzubringen. Ich werde mit Sicherheit nochmals hierher kommen, denn ich habe nur einen Bruchteil von dem gesehen, was es zu sehen gab. Diese gigantomanische, gnadenlose Gewalt, diese unmenschliche, mitleidslose, erbarmungslose, gewalttätige Rohheit und Brutalität ist kaum zu erfassen und es ist ganz wichtig, daran mitzuwirken, daß sich diese rücksichtslose Unmenschlichkeit nicht wiederholt.
Mir ist die Filmreihe „Holocaust“ noch gut in Erinnerung. Vor über 40 Jahren, zwischen dem 22. und 25. Januar 1979, war die vierteilige Fernsehserie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ (USA 1978) in den dritten Programmen der ARD zu sehen und hat mich damals schon verstört, aber diese beiden Stunden in Flossenbürg waren für mich sehr, sehr wichtig.
Der Begriff „Holocaust“ wird verwendet, wenn von der systematischen Vernichtung ganzer Bevölkerungsgruppen während des Nationalsozialismus gesprochen wird. Im Hebräischen spricht man von „Schoah“, was auch „große Katastrophe“ bedeutet.
Wir haben dann unsere Oberpfälzer Wald Tour unsanft in eben diesem Wald beendet, weil Günther vom Bankett ausgebremst wurde und sich die Vespa mitsamt Günther auf die Seite legte.
Günther wurde anschließend im Krankenhaus Marktredwitz verarztet, da er sich mehrere Rippen gebrochen hatte.
Ich wünsche meinem Freund schnelle und vollständige Gesundung und verabschiede mich bis es das nächste Mal heißt – „Komm ich nimm Dich mit“.
Auf Wiederschüss
Erklärung, warum das Zoiglbier Zoiglbier heißt.